Augmented Reality ist ein aktuelles Thema. Nachdem Google Glass allerdings nicht ganz so gut ankam, dürfte Pokémon Go nicht nur das ganze wieder etwas in den Vordergrund gerückt haben, sondern auch die Leute darauf hinweisen, dass man damit Spaß haben kann. Und wer mit japanischen Fantasiewesen unserer Popkultur nichts anfangen kann, für den dürfte vielleicht der Blick zum Sternenhimmel eine Option sein. Und genau hier kommt Universe2go ins Spiel.
Was ist Universe2go?
Bei Universe2go (U2Go) handelt es sich um eine Art Sehglas/Brille, mit der man die Sterne beobachten kann. Nicht in etwa wie ein Teleskop, sondern wie das vorher genannte Google Glass für Sternengucker. Es handelt sich hierbei um ein Gadget, welches ein bisschen wie die Occulus Rift oder auch das HTC Vive ausschaut. Man hat einen schwarzen Kasten vor dem Gesicht. Schaut man damit zum Sternenhimmel (bevorzugt in einer klaren Nacht), dann kann man bei der Entdeckung eines Sternenbildes oder anderen celestrischen Trabanten (nicht das Ossimobil) sich direkt anschauen was das eigentlich ist. In coolster „gar nicht mal mehr so SciFi wie man es vielleicht noch denken mag“-Manier werden direkt vor dem Auge die passenden Infos dazu eingeblendet. Endlich kann man auch als Ahnungsloser den Nordstern finden und den kleinen Waagen vom großen Waagen unterscheiden. Es lebe die Wissenschaft!
Als Tester sollte man neutral sein. Persönlich bin ich der Meinung, dass Ehrlichkeit noch wichtiger ist, auch wenn man etwas an Objektivität verliert. Von daher oute ich mich: Ich liebe das Konzept! Mit Betonung auf Konzept. Augmented Reality, mit der man Spaß haben kann, ohne Datenschutzprobleme und anderen den Rosengarten zu zertreten oder auf Militärbasen einzubrechen ist super. Und gerade mit der Astronomie hat man auch eine Disziplin gefunden, bei der sich viele Leute schwer tun den Einstieg zu finden. Als Laie schaut man nach oben, sieht, wenn es nicht zu hell ist, Sachen und kann am Ende gerade noch sagen ob etwas ein Stern oder ein Flugzeuglicht ist. Gadgets, die eine Disziplin (Astronomie ist sogar eine Wissenschaft!) zugänglicher machen, sind immer etwas gutes.
Woraus besteht Universe2go?
In einem kleinen Schachtel kommt Universe2go sicher an, wenn es per Postweg zu einem kommen soll (nach all den Monitoren dürfte sich der UPSler ausnahmsweise mal gefreut haben). Darin enthalten sind der Blickkasten, ein Riemen, damit man den Spaß auch am Kopf festbinden kann, ein Handbuch und wenn man ein Tester ist auch noch eine nette Postkarte von der nimax GmbH / omegon (da sind irgendwie 2 Firmennamen. Auf jeden Fall ist es Made in Germany.) mit einer persönlichen Widmung und netten Grüßen. An dieser Stelle noch vielen lieben Dank und nette Grüße zurück. Als Endkonsument, der das Gadget im Einzelhandel erwirbt, muss man leider darauf verzichten.
Viel wichtiger (ohne die Grüße verschmähen zu wollen) ist jedoch, dass ohne iPhone oder Androiden nichts geht. Der Spaß besteht nämlich aus 2 Teilen. Zum einen der Kasten, welcher, wenn man es wirklich streng nimmt und man Basteltalent hat, nicht so wichtig ist wie die U2Go-App. Dementsprechend legt man sein Smartphone in den magischen Kasten und jenes Mobilgerät wird dann zum astralen Führer durch das Firmament.
Der Kasten dient als Gehäuse für eine Konstruktion aus Spiegeln, Kunststoffscheiben und einer Luke für das Smartphone. Die Konstruktion erlaubt es, dass das Smartphone per App parallel zum Betrachter den Sternenhimmel abfilmt. Die ausgewerteten Daten werden dann auf dem Bildschirm des Smartphones ausgegeben, welche wiederum dank der Anordnung der Plexiglasscheiben vor dem Anwender projiziert werden (einen „Eye of the Beholder“-Witz habe ich mir jetzt mal gespart). Es ist unkompliziert und funktioniert. Der Nicer Dicer ist auch nur eine Plastikschüssel mit Klingen im Deckel und das Konzept geht voll auf. Von daher kann ich zu dieser cleveren Lösung nur gratulieren. Immerhin kann man so auch Kosten drücken, was wiederum sich auf den Preis positiv auswirkt und das Produkt wieder ein Stückchen massentauglicher macht. Zumindest in der Theorie.
Der Aufbau des Zauberkastens.
In der Praxis muss man einiges berücksichtigen. Zum Beispiel dann, wenn man sein Smartphone ins Fach legen will. Der Deckel ist gepolstert und für die Rutschfestigkeit wird mit Schaumstoffstücken gesorgt. Es passt maximal ein Smartphone der Maße 8×15,5cm rein, wenn man den Schaumstoff herausnimmt. Die Stücke sind so geschnitten, dass man für viele Maße herum tricksen kann. Mit meinem Smarthpone hätte ich aber zum Messer greifen müssen. Da ich jedoch bezweifle, dass ich das vorliegende U2Go behalten darf (aus Mangel an Integrität lasse ich mich diesbezüglich gerne eines besseren belehren), habe ich dann doch lieber den kompletten Schaumstoff herausgenommen und mit Taschentüchern das Smartphone fixiert. Davon muss man selbst nicht betroffen sein, es kann jedoch vorkommen.
Beim Tragen des Kastens muss man weniger beachten. Es gibt eine Kerbe für die Nase, die jedoch eher zur Ausrichtung dient, so dass jeder Zinken passen dürfte. Zudem müssen sich Brillenträger keinen Kopf machen. Die Gläser haben keine Stärke. Im schlimmsten Fall muss man den Kasten einen Zentimeter vor dem Gesicht halten. Der mitgelieferte Riemen dient zudem nur als Schutz vor dem Fallen lassen. Der 269 Gramm schwere Kasten wird wahlweise mit einer oder beiden Händen bedient. Zu dem Eigengewicht muss allerdings noch das Gewicht des Smartphones gerechnet werden. Im Falle meines Gerätes war es allerdings immer noch angenehm. Wer vom Gewicht her eine VR-Brille am Gesicht tragen kann oder ein Tablet in den Händen, der dürfte hier keinerlei Probleme haben. Einhändige Anwender sollten jedoch die andere Hand nicht in die Hosetaschen stecken. Nicht, dass Frau Nachbar noch die Polizei ruft.
Für die App muss auch noch das eine oder andere berücksichtigt werden. Und das ist auch nicht ohne, da das eigene Smartphone nicht geeignet sein könnte. Ein Blick auf die Herstellerseite ist empfehlenswert. Wie bereits erwähnt dürfen nur Androiden und Apfelfans zu den Sternen schauen. Das eigene Smartphone muss zudem über ein paar Sensoren verfügen. Dazu gehören GPS, Gyroskop, Beschleunigungssensor und der Kompass. In der Regel verfügen die heutigen Androiden über diese Sensoren. Mit der App Androidsensor kann man sein eigenes Gerät darauf prüfen. Zudem bietet der Hersteller noch eine Übersicht für kompatible Smartphones. Diese beinhaltet jedoch nur übliche Geräte. Von daher kann das eigene Gerät fehlen. Beim iPhone dürfte man ab dem 4er auf der sicheren Seite sein. Auf OS-Seite wird ab iOS 7.0 und Android 4.2 eine Unterstützung angeboten.
Die App
Man gehe in dem zu seinem Apfel oder Roboter zugehörigen Store, lade sich die App runter und gebe den Lizenzschlüssel ein, welcher sich innerhalb der Schachtel befindet. Dadurch eignet sich U2Go eher nicht als Second-Hand Produkt (es sei denn, man kann den Lizenzschlüssel wiederverwenden) . Auf der anderen Seite ist dies das letzte Mal, dass man für die App online sein muss. Abgesehen von Patches und Updates natürlich. U2Go hat die Sternenkarten und Wissensdatenbank, welche aus Audioguide, Bildmaterial und Infos rund um die stellaren Beobachtungsstücke umfasst, lokal gespeichert. Die App gibt sogar Infos zum mythologischen Ursprung der Trabanten an. So würde man zu Sagittarius/Schütze etwas über den Zentaur Cheiron hören.
Die App hat grundlegend 2 Modi. Der Sternenkartenmodus ist hierbei ein eingeschränkter Modus. Dieser kann auch ohne die Brille verwendet werden. Man kann quasi durch die Sternenkarten durchblättern und sich ein paar Sachen anschauen, wenn gerade die Sonne scheint oder der Himmel bewölkt ist. Der richtig geile Shit kommt mit dem Planetariumsmodus. Dieser wird verwendet, wenn man die Brille einsetzt. Und dieser Modus ist auch der audio-visuelle Führer durch den Sternenhimmel, der die Sternbilder auf der „Linse“ einblendet und einem coole Fakten (natürlich alles subjektiv) angibt. Dieser kann in 8 verschiedenen Modi verwendet werden:
- Starter: Name und Sternenbildlinien werden eingeblendet. Wenn man das Sternenbild fokusiert, bekommt man noch eine gesprochene Erklärung dazu.
- Entdecker: Dieser Modus erweitert den Starter um zusätzliche Angaben über die Sterne, aus denen sich das Sternenbild ergibt
- Mythologie: In diesem Modus werden neben den Sternenlinien eine Zeichnung der griechisch mythologischen Vorlage eingeblendet. Zudem bekommt man Infos zu den Sagen, auf denen diese Sternbilder basieren.
- Deep-Sky: In diesem Modus kann man „ins Weltall tauchen“. Nebel, Galaxien und andere Späße können erkundet werden.
- 3D: Ähnlich wie Deep-Sky, nur plastisch.
- Quiz: Die App blendet ein zufälliges Sternenbild ein, welches es zu finden gilt.
- Suche: Sucht man nach einem bestimmten Kometen, Satelliten, Planeten oder Sternbild, dann hilft dieser Modus dabei es gezielt zu suchen und zu finden.
- Experte: In diesem Modus kann die Anzeige individuell angepasst werden.
Es wird einem viel geboten und vor allem Deep-Sky, bzw. 3D und Mythologie haben es mir persönlich angetan. Man fühlt sich wirklich als wüsste man was man da tut und hat auch noch Spaß dabei. Die wahlweise abstellbare Hintergrundmusik gibt der Sache auch noch ein bisschen Flair. Der Experte, der mit seinem +5k€ Teleskop und dem Laptop da sitzt und fachmännisch die Sterne beobachtet, wird vermutlich nur kurzweiliges Vergnügen an der Sache haben. Wenn man die Geschichten gehört hat, dann hat man irgendwann auch genug und ansonsten lernt man wohl eher nichts neues. Als Einsteiger hingegen ist das eine wunderbare „Einstiegsdroge“ oder auch einfach nur was lustiges zum Spaß haben.
Die Kritik
Bisher liest sich die Sache ja eher wie ein Versuch jemanden eine 100€ Investition aufzuschwatzen. Leider gehört es zu meiner Aufgabe als Kritiker („Kritiker“… Da hält sich wohl einer für was besseres.) auch die nicht so tollen Sachen anzusprechen.
Und der Preis ist auch schon der erste Punkt. U2Go kostet zwar 100€, aber man hat nicht das Gefühl als hätte man etwas in der Hand, das 100€ kosten sollte. Preiskritiken sind normalerweise nicht so mein Fall und besonders bei Gadgets ist es schwer zu sagen ob der Preis gerechtfertigt ist. Apps im Allgemeinen werden allerdings als etwas eher günstiges wahrgenommen. 5€ für eine App betrachten viele schon als höhere Preisklasse und 10€ als teuer. Und der Kasten selbst wirkt auch eher, als könnte man sich so was für 20€ im Baumarkt selber zusammenbauen. Jedoch bietet die App auch vieles und man kann über die allgemeine Qualität dieser auch nur schlecht meckern. Der Kasten wirkt jedoch nicht gerade besonders edel, sondern eher nach “billigem Plastik”. Ein günstigerer Preis wäre durchaus denkbar. Im krassesten Fall würde ich auf 60€ gehen. 80€ wären in meinen Augen auch noch angemessen. Nur bei der 100ter Marke muss ich sagen, dass sich da kein ganz so wohles Preisgefühl bei mir entwickelt. Der Begriff „Preisgefühl“ kommt übrigens von der Wahrnehmung des Preises für mich als Konsumenten. Ohne die Preiskalkulation zu kennen werde ich es nicht wagen das Produkt als objektiv zu teuer oder zu günstig zu bezeichnen. Dafür fehlen Vergleichswerte.
Das Einlegefach, oder auch Passepartout, wie es heißt, ist auch noch so eine Sache. Die Idee ist gut. Man hat Stücke und kann sie so zusammensetzen, dass das Smartphone möglichst gut hält. Wie bereits erwähnt, klappt das in der Praxis leider nicht ganz. Entweder man muss mit etwas anderem nach stopfen oder mit dem Messer etwas anpassen (was ich als Tester mal lieber sein lasse).
Die App ist zudem von vielen äußeren Faktoren abhängig. Da das Bild über die Handykamera ausgewertet wird, macht das Produkt mit schlechteren Handykameras deutlich weniger Spaß. Auch muss man aufpassen, dass das eigene Smartphone überhaupt geeignet ist. Dies gilt besonders für den Androiden. Manche Sensoren sind nur virtuell, bzw. emuliert oder gar nicht vorhanden. Zudem passiert es auch leider öfter als gedacht, dass Sensoren fehlerhaft sind, bzw. Sensorwerte sich in einem falschen Wertebereich befinden, so dass sie relational betrachtet korrekt jedoch von einem absolut Standpunkt falsch sind. Da kann man sich schon mal beim Kalibrieren der App freuen. Und dass sich jemand extra für U2Go ein passendes Smartphone kauft kann ich mir um ehrlich zu sein nicht vorstellen.
Weitere Faktoren sind neben dem offensichtlichstem, dem Wetter, auch die Beleuchtung. Ist es zu hell, dann klappt die App eher nicht. Wer in der großen, großen Stadt lebt, hat also schon mal Probleme.
Klar, dass sind alles Dinge, für die Universe2go nichts kann. Sie sind jedoch wichtig und sollten berücksichtigt werden. Zudem gibt es noch einen Punkt: Die Sternbilderkennung geht manchmal schief. Unter den gegebenen Umständen habe ich Zweifel, dass es immer an U2Go selbst liegt. Die Einblendung war auch nicht „passgenau“ mit den Sternenbildern am Himmel. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass so etwas per Patch nachgebessert werden kann.
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Fazit
Universe2go macht Spaß. Vor allem, wenn man mit eher weniger oder gar keine Erfahrungen als Sternengucker hat. Experten hingegen werden sich wohl eher schnell langweilen. Der Kasten wirkt ein bisschen billig, so dass der Preis etwas hoch wirkt. Und die Erkennung der Sternenbilder läuft nicht immer einwandfrei. Auf der anderen Seite kann man wirklich viel Spaß damit haben während man etwas lernt. Sich zudem etwas über mythologische Hintergründe oder andere Fakten erzählen zu lassen gibt einem ein Gefühl als wäre man in einem “Open Air Planetarium”. Nur sollte man vorher aufpassen, dass das Smartphone kompatibel ist. Ansonsten wünsche ich viel Spaß beim zukünftigen Blick in die Sterne.