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Mother Russia Bleeds – Drogen, Gewalt und alles andere, was Spaß macht

Geschrieben von Oliver Baumann

„From Russia with Love“? Vielmehr „From Russia with a view gallons of blood and guts flying all around“! Mother Russia Bleeds ist definitiv nichts für zarte Gemüter und die gewohnte Tumblrette darf dies als „Trigger-Warning!“ betrachtet. Warum das so ist und ob das Spiel dennoch überzeugen kann oder in die gleiche Tonne wie Hatred wandern darf, finden wir jetzt heraus!

 

Mother Russia Bleeds quite a lot

Bei Mother Russia Bleeds, welches am 5. September 2016 erschien, handelt es sich um ein Prügelspiel, das in die gleiche Kerbe schlägt wie die Titel von aus der guten, alten Zeit: Double Dragon, Streets of Rage, Golden Axe, You name it!

Man wandert von links nach rechts und haut dabei alles und jedem in die Fresse, was einem zu nah kommt. In Mother Russia Bleeds (MRB) können wir nicht nur unseren Gegnern die Köpfe einschlagen sondern auch mal etwas gepflegter zulangen bis ihnen die Köpfe weg fliegen. Das kann und sollte man wörtlich nehmen. Wir können auch einen Gegner auf die Matte legen und so lange auf seinen Schädel einprügeln, bis der Schädel platzt und die Innereien auf dem Boden verteilt sind. So ein bisschen wie im Tote Hosen Song „Hier kommt Alex“ erwähnt oder im Film „American History X“ angedeutet wird.

Das ist nicht Honig, was Winnie Puh da intravenös eingeflöst kriegt.

Das ist nicht Honig, was Winnie Puh da intravenös eingeflöst kriegt.

MRB ist nicht gerade zimperlich mit der Darstellung von Sex und Gewalt. Das Spiel führt einem auch an einige nicht gerade nette Orte. So sieht man im Hintergrund wie in einem Labor experimentelle Drogen an unfreiwilligen Testsubjekten ausprobiert werden, zu denen die 4 Protagonisten einst gehörten. Ein anderes Level findet in einem Hardcore BDSM-Sexclub statt. So einer wie in Berlin jeder zweite Keller einer sein dürfte.

Manche lassen sich beim "Liebesspiel" nur ungern stören.

Manche lassen sich beim “Liebesspiel” nur ungern stören.

Und man hat hier auch nicht zensiert. Dagegen wirken die Straßenschlachten bei einem Bürgeraufstand schon gerade zu harmlos. Waffen wie Elektroschocker, Gewehre und Granaten kommen genauso zum Einsatz und präsentieren ihren Effekt entsprechend.

Das verrückte an der Sache ist, dass obwohl alles so dreckig, düster und heftig ist und das Spiel in der Darstellung kein Blatt vor dem Mund nimmt, es nicht irgendwie als „over the top“ zum Selbstzweck dient (Grüße gehen raus an Mortal Kombat). Es ist alles so extrem aber doch irgendwie durch den Zusammenhang wieder stimmig. Diese „ultra-violence“ macht im Rahmen der Handlung Sinn.

Es wäre sogar eigenartig, wenn alle mit Samthandschuhen aufeinander losgehen würden. In diesem Sinne hat es auch etwas mit dem Film „Fight Club“ gemeinsam. Dieser Film ist nicht gerade zimperlich. Die Story um den schizophrenen Protagonisten hat die Gewalt stimmig inszeniert und passend eingebettet. Man ist nicht schockiert über das gezeigte, weil die Gewalt ein essentieller Bestandteil ist und der Film ohne diese an Glaubwürdigkeit verlieren würde. Und so in etwa ist dies auch bei Mother Russia Bleeds. Nicht einmal der Sexclub mit den ganzen in Leder verpackten Sklaven konnte wirklich schockieren.

Sex, Drogen und Gewalt: Nicht nur GTA kann sowas bieten. Wobei der Sex in Mother Russia Bleeds eine eher untergeordnete Rolle spielt.

Sex, Drogen und Gewalt: Nicht nur GTA kann sowas bieten. Wobei der Sex in Mother Russia Bleeds eine eher untergeordnete Rolle spielt.

Und gerade dieses Level hatte vor dem Release für einiges an Aufsehen gesorgt. Es ist jedoch alles stimmig. Die Figuren sind nicht per Zufall dort. Von meiner Seite her Hut ab dafür.

Aber worum geht es denn eigentlich?

Wir spielen einen von 4 Sinti, welche in einem russischen Armenviertel an Straßenkämpfen teilnehmen und sich so ein bisschen Geld verdienen. Pennerboxen mit Wetteinsatz, wenn man so will. Eines Tages tauchen plötzlich böse, böse Leute auf und verschleppen uns. Es kommt zum Cut und wir sehen wie jemand im Schutzanzug den 4 Boxern eine Droge verabreicht. Kurz darauf erwachen alle Boxer, die von den Spielern gespielt werden (bis zu 4 Spieler im Co-Op). Und dann geht es schon los. Wir brechen auf, erfahren von dem Mann mit der Spritze, dass uns eine Droge Namens Nekros verabreicht wurde, unter deren Einfluss wir nun stehen, und Kämpfen uns durch das Untergrundversuchslabor.

Die richtige Medikation ist sehr wichtig,

Die richtige Medikation ist sehr wichtig,

Am Ende kommen wir in der Kanalisation an, wo Leichen von Schweinen gefressen werden. Legga! Und dann geht auch schon der Bosskampf los. Wir dürfen als ersten Boss eine Art Schweinebärmann ohne Bärenanteil tot prügeln. Was nicht gerade einfach ausfällt.

Von der Kanalisation aus geraten wir in einen Gefängnistrakt, unter dem das Labor anscheinend gebaut wurde. Also versuchen wir auszubrechen und Zetteln dabei noch einen Gefängnisaufstand auf.

In Level 3 kehren wir in unsere Hood zurück. Wir erfahren, dass unsere Helden 1 Monat lang verschwunden sind (und damit auch 1 Monat lang mit Nekros voll gepumpt wurden) und dass die örtliche Mafia das Gebiet übernommen hat. Und da die Story relativ kompakt ist und ich jetzt einfach mal nicht das komplette Spiel spoilern will (welches relativ kurz ist), sage ich abschließend, dass ab hier der Rachefeldzug gegen die russische Mafia beginnt und dabei das eine oder andere zu eskalieren vermag.

Die Story ist an für sich gar nicht mal uninteressant und würde die Grundlage für ein ziemlich interessantes Buch oder auch einen doch recht spannenden Film geben. Durch die Erzählstruktur und die Tatsache, dass das Spiel eher den Fokus auf das Gameplay legt, kommt sie jedoch recht kurz rüber. Da das Spiel 8 Level umfasst, welche auch nicht all zu lang sind, kommt einem das Erzähltempo, oder auch „Pacing“ doch etwas schnell vor. Zusammengefasst könnte man sagen, dass das Spiel eine interessante Story hat, die allerdings zur Nebensache verkommt.

Das Gameplay

Fangen wir mal von außen an: MRB ist ein Prügelspiel, wie sie in den 80gern und 90gern Hochkonjunktur hatten. Double Dragon und Final Fight dürften hierbei wohl am besten für einen Vergleich hinhalten. MRB hat 2 Spielmodi. Der erste ist der Story-Modus. Von Level 0, welches das Tutorial und optional ist, bis Level 8 verfolgen wir die Geschichte unserer 4 Protagonisten, in deren Mittelpunkt der Rachefeldzug gegen die russische Mafia und die Experimentelle Droge Nekros stehen.

Der andere Spielmodi ist der Arenamodus. In diesem wählt man sich einen Kampfplatz aus und kämpft gegen Gegnerwellen bis man umkippt. Ein Hordemode also. Diese Arenen können im Storymodus durch das Abschließen einzelner Level freigeschaltet werden und sind aus ihren jeweiligen Leveln entnommen worden.

Der Storymodus macht den Hauptteil des Spieles aus. Zu Beginn können wir uns für einen von 4 Charakteren entscheiden, die sich abgesehen vom äußerlichen in ihren Werten wie Geschwindigkeit oder Standhaftigkeit (Gesundheit) unterscheiden. Das Spiel unterstützt einen lokalen Co-Op für bis zu vier Spieler. Sollte man alleine sein (so wie ich *mimimi*), kann man den Rest der Gruppe durch von der KI gesteuerte Kollegen auffüllen lassen. Und hier muss ich kurz die Handbremse ziehen und dazwischen hacken.

Das Spiel ist für 4 MENSCHLICHE Spieler ausgelegt. Und das merkt man auch. Unabhängig vom Schwierigkeitsgrad wird man von Gegnern überrannt. Alleine ist dem nicht beizukommen. Dabei hilft es auch nicht, dass einzelne Gegner zum Teil unglaublich viel einstecken können. Wenn dann von links und rechts 20 Gegner auf einen zustürmen, manche von denen mit Schusswaffen, welche einen beinahe instant töten können, dann hat man alleine keine Chance.

Die KI ist zwar nicht wirklich toll und lässt einen auch gerne mal verrecken, erlaubt es einen jedoch zumindest mal bis zum Endboss vorzudringen. Da jener jedoch in einer Phase eine bestimmte Attacke macht, über die man springen muss und dies genau das ist, was die KI nicht macht, ist man mit denen beim Endboss aufgeschmissen. In der selben Phase wird man nämlich wieder von Gegnern überrannt. Wer also nicht mindestens einen Freund vor den Rechner zerren kann, der sollte sich auf VERDAMMT VIEL FRUST einstellen. Außer ist ein manisch depressiver Masochist und sucht eine Abwechslung zu „Lötkolben in den Arm rammen“.

Der einzige Grund, warum ich nicht behaupte, dass es alleine nicht schaffbar ist, ist der, dass ich mich weigere das zu glauben. Man kann es vielleicht schaffen. Spaß wird es jedoch nicht machen. Mit bis zu 4 Freunden schaut es jedoch anders aus. Dann ist das Spiel herausfordernd, macht aber jedoch wesentlich mehr Spaß. Grund dafür ist, dass dieser Bullshit, bei dem man von einer Schar an Gegnern überrannt wird, um einiges harmloser ist.

Wir waren bei der Charakterauswahl. Haben wir uns für einen Peiniger entschieden, dürfen wir uns noch eine Droge aussuchen. Namen und Farbe sind unterschiedlich und die Effekte bei der Einnahme weichen ab. Diese sollen jedoch alle Nekros darstellen und können im Arenamodus freigeschaltet werden, sobald man in der jeweiligen Stage die 10te Gegnerwelle geschafft hat. Wer mag kann sich das so wie bei Jan Tenner vorstellen. Es gibt ein Basisserum (Nekros) und daraus wurden verschiedene Derivate entwickelt. Vielleicht hat ja Professor Futura für die russiche Mafia gearbeitet, bevor er nach Westland floh. Das würde zumindest einiges erklären…

In Form von Hallus auslösenden Anfällen sieht man, wie das Nekros sich immer weiter in den Körpern der PRotagonisten breit macht.

 

Level, Charakter und Droge sind ausgewählt und schon kann es losgehen. Die Drogen erfüllen im Spiel 2 Funktionen. Zum einen werden sie verwendet um sich zu heilen. Hat man einen Gegner verprügelt und sein Gehirn nicht eingestampft, so hat man die Chance, dass er am Boden zappelt. In diesem Fall rammt man ihm seine Nadel in den von Spasmen geplagten Körper und zieht die Droge aus seinem Körper.

Mag etwas heftiger wirken und das erzwungene Teilen der Nadel ist nicht gerade gut zur HIV-Prävention, jedoch ist es irgendwie stimmiger als Truthähne und Hamburger aus Mülltonnen zu futtern (bzw. „Wallchicken“ für die Castlevania-Fans unter euch). Apropos Nadel teilen: Liegt ein Kollege tot am Boden, so kann man sich die Nadel reinrammen und dem bewusstlosen Freund einen Shot verpassen. Man muss jedoch etwas Gesundheit einbüßen und der Spender übergibt sich durch die Aktion. Es sind solche Dinge, die zur vorher angesprochenen Stimmigkeit beitragen.

Für die zweite Funktion muss man sich ebenfalls einen Shot verabreichen. Je nachdem welche Droge man verwendet gibt es einen „Powerboost“ und wird für eine kurze Zeit zum Berserker. Das hilft zwar beim Töten seiner Feinde, jedoch muss man abwägen ob man nicht doch lieber sein Wundermittelchen für die nächste Heilung aufheben will.

Ein kleiner Pickser und alles wird gut.

Ein kleiner Pickser und alles wird gut.

Sobald das Level betreten ist, wird von Links der Schauplatz betreten. Es folgt eine Ingame-Cutscene, die aus einem Dialog besteht und den Spieler auf den aktuellen Stand bringt und erklärt warum wir uns an jenem Ort befinden. Und dann geht es auch schon los. Wir prügeln uns durch Gegnerhorden. Für die Moves stehen uns zum einen Schläge zur Verfügung. Diese können für eine stärkere Variante aufgeladen werden. Daneben gibt es noch Tritte, Würfe und Griffe. Zusätzlich kann man den Gegner noch tackeln oder in ihn rein grätschen. Man kann sie auch auf den Boden pinnen und anschließend auf sie einprügeln. Das Moveset ist nicht großt, deckt aber alles ab, was man an Angriffen braucht. Es fühlt sich vollständig und nicht so überladen an wie es bei moderneren Spielen wie Devil May Cry oder God of War vorkommt. Früher hatte man halt keine drölfmillionen Kombos. Rennen und Springen kann man auch.

Was aber dringend fehlt ist die Möglichkeit sich zu verteidigen. Im Gegensatz zu den Gegnern kann man selber nicht blocken. Dies könnte keine Lösung aber doch eine Hilfe gegen das Problem des Überrannt-werdens sein. Auch gibt es noch das gleiche Problem, wie bei älteren Genrevertretern. So kann ein Gegner sich um ein bis zwei Pixel hinter einen stellen und dann auf einen einprügeln während man ihn selber nicht treffen kann. Selbst könnte man es in der Theorie auch, in der Praxis kommt aber nicht dazu. Auch können Gegner aus der Kamera raus laufen wodurch sie unerreichbar werden.

Das sind solch typische Geschichten des Retrofeelings, auf die ich gerne verzichten würde. Das trägt nur zum Frust bei, der bei diesem Spiel doch sehr schnell sehr hoch werden kann. Vor allem dann, wenn man sich mehr oder weniger von Checkpoint zu Checkpoint durchspielt. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Entwickler per Patch noch am Balancing etwas machen.

Die gleichzeitig lustigste und auch romantischte Szene des Spieles.

Die gleichzeitig lustigste und auch romantischte Szene des Spieles.

Die Level müssen am Stück gespielt werden und sind je nach Talent im Schnitt etwa 20 Minuten lang. Bei 8 Leveln ist das recht kurz. Die Level selbst sind Abwechslungsreich. Es gibt keine großartige Interaktionsmöglichkeit mit der Umwelt mal abgesehen von Waffen und aufhebbaren Gegenständen wie Stühlen, die als Waffen eingesetzt werden können. Die Level haben allerdings alle eine Art Gimmick oder Zwischenevent, welches das ansonsten relativ einseitig wirkende Gameplay auflockern. 20 Minuten scheinen für ein Level recht kurt zu klingen.

Jedoch wäre beispielsweise bei einer doppelten Länge das ganze zu repetitiv. Von daher kommt das Gefühl mangelnder Abwechslung erst dann auf, wenn man in einem Level über längere Zeit hängen bleibt. Am Ende eines Levels gibt es noch einen Bosskampf, welcher an für sich einzigartig ist. Dabei hat jeder Boss ein eigenes Gimmick, so dass sie recht Abwechslungsreich wirken. Manche Bosse sind aber dadurch allerdings lästiger als andere.

 

Für die Bosse hat man sich eingies einfallen lassen, wie zum Beispiel für diesen russischen Robotnik (Eggman).

Für die Bosse hat man sich eingies einfallen lassen, wie zum Beispiel für diesen russischen Robotnik (Eggman).

Level müssen am Stück durchgespielt werden. Verlässt man eines, dann geht es wieder von Anfang an los. Jedoch sind die Level mit dem Fortschritt freigeschaltet. Sobald man ein Level erledigt hat, kann man es überspringen. Das Spiel hat auch zwei verschiedene Enden, die einzig vom letzten Level abhängen. Dadurch kann man sich beide Enden anschauen, ohne dass man das komplette Spiel nochmals komplett durchspielen muss. Das Spiel wirkt recht kurz. Der Wiederspielwert kommt durch die freigeschalteten Drogen und die Jagd nach Punkten. Wer sich für so etwas nicht begeistern kann, der wird Mother Russia Bleeds schnell zu den Akten legen.

Fazit

Insgesamt ist Mother Russia Bleeds in Bezug an das Gameplay eine Hommage an Klassiker wie Double Dragon, Final Fight und Turtles in Time (Ich habe Hyperstone Heist bisher nicht gespielt). Es hat die gleichen Probleme wie man sie damals auch hatte und macht auch vieles richtig, das man damals schon geliebt hat. Bei der Inszenierung waren die Entwickler kompromisslos, was für teilweise doch recht heftige Szenen sorgt. Wenn man sich das Gesamtpaket anschaut kann man jedoch froh darüber sein. Das Spiel ist für 4 Spieler ausgelegt. Es wird nicht für eine geringere Spieleranzahl runterskaliert und die Bots sind nur begrenzt eine Hilfe. Dadurch und durch die Tatsache, dass man sich gegen gewaltige Gegnerschwärme, die des öfteren auftreten, kaum wehren kann, kommt relativ schnell sehr hoher Frust auf. Wer darüber hinwegsehen kann, wird vor allem mit Freunden recht viel Spaß haben (so lange sie nicht zu zartbeseitet sind).

7.5

Einzelspieler

6.0/10

Mehrspieler

8.0/10

Grafik und Stil

8.9/10

Sound

7.5/10

Leveldesign

7.0/10

Pro

  • Extreme aber dennoch angebrachte Darstellung von Drogen, Gewalt und Sex
  • Grafikstil sehr gut umgesetzt
  • Überraschend interessante Story
  • Abwechslungsreiche Level
  • Bots können für Mitspieler einspringen...

Contra

  • ... Sind manchmal aber alles andere als eine Hilfe
  • Relativ kurz
  • Hoher Frustfaktor
  • Story wird zur Nebensache