Retro

Heart of Darkness: Reizend, spannend und erschreckend

Geschrieben von Maximilian Scholze
Als Andy mit Hilfe der Schulklingel nach der letzten Stunde knapp dem Nachsitzen entkommen ist, weil er wieder einmal mitten im Unterricht eingeschlafen war, begab er sich in den Stadtpark um zusammen mit seinem Hund Whisky eine Runde zu chillen, solange bis die von vielen Bewohnern der Stadt erwartete Sonnenfinsternis, über welche Andy am nächsten Tag sogar eine Arbeit in der Schule schreiben muss, beginnt.

Doch die zuerst coole Sonnenfinsternis stellt sich als eines der schlimmsten Ereignisse heraus, welche Andy je erleiden musste. Die Sonnenfinsternis ist nämlich in Wirklichkeit eine Falle der Armee der Finsternis, welche die vom Mond verdeckte Sonne in eine Art schwarzes Loch verwandeln und damit Andys Hund entführen und in ihre Gewalt nehmen. Somit hatte Andy nicht nur einen grausamen Tag in der Schule, sondern hat auch noch beim gemütlichen Abhängen im Park seinen besten Freund verloren und ist nun den Tränen nahe. Aber Andy ist kein dummer Junge. Nein ganz im Gegenteil. Er ist hyper-intelligent und lässt es auch nicht so einfach auf sich sitzen, dass man ihm seinen besten Freund gestohlen hat. So rennt Andy so schnell er kann zu sich nach Hause, begibt sich in sein hochmodernes Baumhaus, welches eher einer Geheimbasis für Agenten ähnelt und bereitet sich auf eine Rettungsaktion für Whisky vor.

Zusammen mit einer Tasche voll mit Notfallausrüstung, wie einem Apfel, einer Kamera und Whiskys Hundefutter, springt Andy in wenigen Sekunden in seine selbstgebaute High-Tech-Flugmaschine und will sich auf die Reise begeben. Doch eine ganz wichtige Sache hat er noch vergessen. Die Armee der Finsternis wird ihm seinen Hund bestimmt nicht kampflos zurück geben. Deshalb braucht er natürlich noch seine selbstgebaute Laserstrahlen-Kanone und einen Kampfhelm, ehe die Reise beginnen kann.

Mit allem was er braucht begibt sich Andy also fliegend über die Wolken auf den Weg in das Schattenreich, wo er auch direkt von einer Kreatur der Finsternis überrascht wird, sie rammt und deshalb eine unsaubere Bruchlandung hinlegt. Ein atemberaubendes und spannendes Abenteuer um die Suche und die Rettung nach Whisky, gegen die Kreaturen und den Meister einer Welt, in welcher das Böse über das Gute herrscht und die Finsternis über das Licht, beginnt.

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Brutales und schweres 2D Jump ’n’ Run im Kinderspiel-Pelz

Nach dem für ein Videospiel wirklich recht langem Intro, findet man sich in einem verlassenen Canyon in der Welt der Finsternis wieder und muss versuchen, die Kreaturen der Schatten zu überleben, was sich allerdings als schwerer herausstellt als es am Anfang wirkt. Einige Gegner sind zum Beispiel unfassbar schwer zu besiegen und einige Rätsel, welche das Spiel beinhaltet und welche für eine schöne Abwechslung sorgen, sind öfters genauso kompliziert zu lösen.

Außerdem ist das Spiel zwar für alle Altersklassen zugelassen, beinhaltet jedoch an mehreren Stellen Todesszenen, welche hier und da schon ziemlich brutal wirken für ein Kinderspiel. Die Gegner brechen dir die Wirbelsäule, fressen dich bei lebendigem Leibe, zersetzen dich in deine Bestandteile, äschern dich ein, stoßen dich die Klippe runter oder ertränken dich. An einigen Stellen wird man zum Beispiel von einen Felsen zerquetscht während an anderen Stellen man von den Schattenwesen brutal zerfleischt und gefressen wird.

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Epische Soundtracks noch nie zuvor in einem Videospiel

Die Hintergrundmusik im Ingame und der Soundtrack des Spieles sind genauso wie die Story einfach nur grandios und ein Ohrenschmaus für jeden, der auf alte Retrogames im 2D-Look und deren Musik steht. Die Musik ist auch der Hauptgrund gewesen, weshalb die Entwicklung des Titels über 6 Jahre gebraucht hat, weil sie von Bruce Broughton bearbeitet wurde, welcher schon die Soundtracks von Filmen wie Tombstone und Silverado erschaffen hat und welcher die geniale Idee hatte ein komplettes Sinfonieorchester zu verwenden. Dadurch wurde Heart of Darkness 1998 das erste Videospiel, welches Orchestermusik beinhaltete.

Dies ist jedoch auch der Grund, weshalb das Game für die Verhältnisse von 1998 eine recht veraltete Grafik besaß und auch technisch sehr veraltet war. Die meisten Videospiele waren grafisch schon weit vorangeschrittener als Heart of Darkness zu seiner Zeit und es gab auch schon einige 3D Jump ‘n’ Runs, weshalb ein 2D Game da natürlich eher schlechter abschneidet. Aber dennoch kann man diesen Nachteil, dank der guten Musik für die sich die 6 Jahre wahrlich gelohnt haben, leicht übersehen.

Auch storytechnisch hat es so etwas wie Heart of Darkness bis Dato noch nie gegeben. Die Story ist super erzählt, sehr finster, aber auch mit Humor und erschreckenden Szenen. Vom Gameplay ist es hingegen weniger einzigartig. Es gibt viele Ähnlichkeiten zu anderen Retro-Titeln aus der Zeit wie zum Beispiel Another World (welches vom selben Entwickler stammt), Flashback oder auch die erfolgreiche Retrogamereihe Oddworld, welche von den Jump ‘n’ Run Elementen und den Schwierigkeitsgrad der Rätsel und der einzelnen Level meistens gleich aufgebaut ist wie Heart of Darkness. An einigen Stellen muss Andy zum Beispiel durch die Zerstörung eines Gegenstands eine Kettenreaktion auslösen, um den Weg freizulegen oder so oft gegen schleimige grüne Biomasse springen, dass die einzelnen Teilchen in Richtung fleischfressender Pflanzen fliegen, welche sie essen und dadurch für kurze Zeit gesättigt sind, keinen Hunger mehr auf Andy haben, womit er ungestört an ihnen vorbei gehen und in den nächsten Abschnitt kommen kann.

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Der Schwierigkeitsgrad des Spieles wird von Zeit zu Zeit wirklich immer schwerer. Eine Lebensanzeige gibt es nicht, nach einem Treffer ist man tot und das kann schnell für Frust sorgen. Dadurch kommt eine ganz andere Spielstimmung zustande welche man mehrere Stunden erleben kann. Generell kann man mit Heart of Darkness so viel Zeit mit spielen verbringen, wie bei kaum einen anderen Playstation 1 Titel. Das Game ist nämlich für Playstation 1 Verhältnisse recht groß, weshalb es sich auch auf insgesamt 2 CDs befindet, was man recht selten sah.

Typisches Jump-’n’-Run Action Adventure der 90er

Was diesen Titel jedoch nicht uninteressanter macht: Heart of Darkness mag sich zwar vom Gameplay her nicht stark von anderen Jump ‘n’ Run Adventure Games unterscheiden, aber dennoch ist dieses Spiel mit seiner grausamen Story, seiner faszinierenden Vielseitigkeit und seinen witzigen Charakteren einzigartig. Es ist zwar nicht zu empfehlen es Kindern ab 12 Jahren zu geben oder sogar noch jünger, da es in Amerika für sämtliche Altersklassen erlaubt ist, aber wer auf alte Retrospiele steht (was eigentlich auf jeden zutreffen sollte, der sich diesen Thread durchliest) und keine Scheu davor hat, mehrere Stunden voller extrem schwieriger Level und dadurch wahrscheinlich auch sehr vielen Wiederholungen zu absolvieren, sollte sich dieses Spiel definitiv einmal ansehen. Éric Chahi, welcher auch vor einigen Jahren das Strategiespiel und Göttersimulation From Dust erschaffen hat, hat hier mit Heart of Darkness einen Retrotitel auf die Welt gehetzt, welcher es verdient hat als eines der bekanntesten Playstation 1 und PC Spiele gezählt zu werden, die es je gab.